Richtlinien

Die ÖAWI stärkt das Bewusstsein für die Standards Guter Wissenschaftlicher

Praxis unter WissenschaftlerInnen und in der allgemeinen Öffentlichkeit

Richtlinien

GWP-Richtlinien der ÖAWI

Die „Richtlinien zur Guten Wissenschaftlichen Praxis (GWP)“ wurden im April 2015 von der Kommission für wissenschaftliche Integrität überarbeitet und von der General­versammlung der ÖAWI verabschiedet. In die Richtlinien sind zahlreiche Vorschläge der Mitgliedsorganisationen der ÖAWI eingeflossen.

Das belegt, dass wissenschaftliche Integrität nur in einem Netz der Verantwortlichkeiten realisiert werden kann, in dem die 

Kommission für wissenschaftliche Integrität eine Akteurin unter vielen ist. Die Kommission wird zusammen mit den Mitglieds ­organisationen in den folgenden Jahren über Wege nachdenken, wie die Richtlinien effektiv in ihren Alltag implementiert werden können.

 

Richtlinien zur Guten Wissenschaftlichen Praxis (PDF)

GWP-Richtlinien der ÖAWI
(Stand: April 2015)

Die Qualität der Forschung ist für jede Gesellschaft ein hohes Gut. Gesellschaftlicher Fortschritt, ökonomische Wertschöpfung, soziale Lebensbedingungen und eine gene­rationengerechte Zukunftsgestaltung sind ohne verlässliches wissenschaftliches Wissen nicht vorstellbar. Dessen Qualität zu gewährleisten, ist prinzipiell Aufgabe der Wissen­schaft selbst. Weil wissenschaftliche Forschung spezialisiert und komplex ist und vielfälti­ge Verbindungen zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftli­chen AkteurInnen bestehen, kann wissenschaftliche Selbstkontrolle nur gelingen, wenn sie auch formalisiert und institutionalisiert wird. Als Institution, die sich die Forschungseinrich­tungen Österreichs selbst gegeben haben, leistet die Österreichische Agentur für wis­senschaftliche Integrität (ÖAWI) einen wichtigen Beitrag zur effektiven Selbstkontrolle des österreichischen Wissenschaftssystems.

Die ÖAWI schärft unter WissenschaftlerInnen und in der allge­meinen Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis. Sie trägt dazu bei, dass Verstöße gegen die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis identifiziert und abgestellt werden. Sie stärkt das wissenschaftliche Ethos und tritt für die Einhaltung des aus ihm abgeleiteten Verhaltenskodex ein. Aufklärung und Vermeidung wissenschaftlichen Fehlverhaltens – nicht dessen Sanktionierung – stehen im Zentrum ihrer Tätigkeit. Da Verstöße gegen Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis nicht zwin­gend auch Verstöße gegen geltendes Recht sind, übt die ÖAWI ihre Aufgabe in Ergänzung zum Rechtssystem aus, nicht in Konkurrenz zu ihm. Wissenschaftsrelevantes Recht, Grundsätze der Forschungsethik und Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis gewährleisten gleichermaßen ein hohes Maß an wissenschaftlicher Integrität.

Dem Vorbild internationaler Erklärungen zur wissenschaftlichen Integrität entsprechend, werden im Folgenden zunächst Grundprinzipien wissenschaftlicher Integrität und da­raus resultierende Grundpflichten benannt. Sodann werden mit diesen Prinzipien und Grundpflichten konforme Anforderungen an das  Verhalten von WissenschaftlerInnen  (Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis) sowie wichtige For­men wissenschaftlichen Fehlverhaltens definiert. Auch hierbei orientiert sich die ÖAWI am internationalen Diskussionsstand zur wissenschaftlichen Integrität, denn die Internati­onalität der Wissenschaft beeinflusst auch die Maßstäbe ihrer Integrität.

(1) Wissenschaftliche Forschung ist auf die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis verpflichtete Arbeit mit dem Ziel des Erkenntnisgewinns. Alle in der Forschung tätigen Personen sind zu wissenschaftlicher Integrität verpflichtet. Zur wissenschaftlichen Inte­grität gehört insbesondere eine transparente und aufrichtige Kommunikation mit an­deren WissenschaftlerInnen sowie zwischen WissenschaftlerInnen und AuftraggeberInnen von Forschungspro­jekten, eine hohe Verlässlichkeit bei der Durchführung gemeinsamer Forschungsvorha­ben, unparteiliches Urteil und innere Unabhängigkeit, die Bereitschaft, sich fachlicher Kritik zu stellen und ihr argumentativ zu begegnen sowie der verantwortungsbewusste und faire Umgang insbesondere mit NachwuchswissenschaftlerInnen. Zur wissenschaftlichen Integrität gehört auch die aufrichtige, verständ­liche und transparente, der Komplexität wissenschaftlicher Forschung gerecht werden­de Kommunikation mit der allgemeinen Öffentlichkeit.

(2) Alle in der  Forschung tätigen Personen haben die in ihrem wissenschaftlichen Tätigkeitsfeld maßgeblichen Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis zu beachten, etwaige Zweifel über die maßgeblichen Standards eigenverantwortlich abzuklären, wissenschaftliches Fehlverhalten zu unterlassen und erkanntes Fehlverhalten umgehend zu korrigieren.

(3) Die Trägerorganisationen wissenschaftlicher Forschung und die einzelnen Organisationseinheiten, in denen geforscht wird (z.B. universitäre oder außeruniversitäre Ab­teilungen und Institute, Arbeitsgruppen, Zentren), stellen sicher, dass die Vermittlung der Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis dauerhaft gewährleistet ist; hierbei ist die Aufmerksamkeit auch auf die Gefahr wissenschaftlichen Fehlverhaltens zu lenken. Die Leitungsverantwortlichen der Trägerorganisation und der jeweiligen Organisations­ einheit gewährleisten durch geeignete und angemessene Organisationsmaßnahmen, dass die Zuständigkeiten für die Vermittlung und Durchsetzung der Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis einschließlich der Klärung von Zweifeln eindeutig festgeschrie­ben, kommuniziert und danach tatsächlich wahrgenommen werden; dazu gehört auch die klare Zuordnung von Aufsichtspflichten. Die Leitungsverantwortlichen stellen sicher, dass eine Infrastruktur besteht, die die Beachtung der Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis ermöglicht; das gilt insbesondere für die Aufbewahrung von Daten, Präpa­raten oder sonstigen der Forschung dienenden oder ihr entstammenden Gegenstände und Materialien. Die Leitungsverantwortlichen müssen sicherstellen, dass die Kontakt­daten der Personen und Gremien, die an der jeweiligen Forschungseinrichtung mit der Durchsetzung der Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis sowie der Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens betraut sind, bekannt und jederzeit leicht auffindbar sind.

(4) Wer ein Forschungsvorhaben, insbesondere ein Vorhaben im Rahmen eines Diplom-­, Master-­ oder Doktoratsstudiums betreut, gewährleistet, dass die Forschenden über die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis unterrichtet werden; dabei ist für ein Forschungsumfeld zu sorgen, welches es insbesondere NachwuchswissenschaftlerInnen ermöglicht, die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis einzuhalten.

Die Betreuung eines Forschungsvorhabens, namentlich im Rahmen eines Doktoratsstu­diums, entbindet die ForscherInnen nicht von der Pflicht, sich regelmä­ßig darüber zu informieren, wie die betreffende Fachdisziplin sowie die betreffende wissenschaftliche Einrichtung die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis versteht. Stellungnahmen internationaler oder nationaler Stellen zu den Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis, z.B. der relevanten wissenschaftlichen Fachgesellschaften, sind im Sinne einer Auslegungshilfe zu berücksichtigen. Den Anforderungen multi-­, inter- ­und transdisziplinären wissenschaftlichen Arbeitens ist bei der Handhabung der Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis Rechnung zu tragen.

(5) Fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass ForscherInnen die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis missachten, darf die/der BetreuerIn des Forschungsvorhabens darauf vertrauen, dass das Forschungsvorhaben im Einklang mit den Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis durchgeführt wird (Vertrauensgrundsatz).­

(1) Zu den Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis gehören insbesondere folgende:

1. Die genaue Protokollierung und Dokumentation des wissenschaftlichen Vorgehens sowie der Ergebnisse, die sicherstellt, dass die Wiederholbarkeit der Untersuchungen gewährleistet ist; dazu gehört die für Dritte nachvollziehbare, lückenlos protokollierte und dokumentierte Erhebung von Primär­- und Originaldaten (bearbeitetem Rohma­terial); diese Daten und Dokumente (B. Laborjournale) sind, soweit sie als Grund­lage für Veröffentlichungen dienen, in derjenigen wissenschaftlichen Einrichtung, in der sie entstanden sind, unter Beachtung der im jeweiligen Forschungsfeld maßgeb­lichen Fristen auf haltbaren und gesicherten Datenträgern aufzubewahren, soweit dies zum Zwecke der Nachprüfbarkeit der gewählten Methode und der erzielten Ergebnisse erforderlich ist.

2. Im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten, aber auch von Förderanträgen, der transpa­rente und nachvollziehbare Umgang mit Ideen, Texten, Daten und sonstigen Quellen, die von anderen stammen, insbesondere durch die Beachtung aussagekräftiger und Missverständnisse vermeidender Zitierregeln; Plagiate verstoßen gegen die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis und sind daher zu unterlassen (vgl. 3 Abs. 2 Ziffer 3).

3. Das Unterlassen der erneuten Publikation eines von der/dem AutorIn be­reits veröffentlichten Textes oder von Textteilen ohne einen Hinweis auf die frühere Publikation.

4. Die Wahrung strikter Ehrlichkeit im Hinblick auf die Forschungsbeiträge anderer, ins­besondere bei Förderanträgen oder bei der Veröffentlichung von Forschungsergeb­nissen die Nennung von Personen, die einen eigenen wissenschaftlichen oder wesentlichen sonstigen Beitrag geleistet haben, als MitautorInnen und, soweit möglich, die Kennzeichnung ihres Beitrags; eine nur technische Mitwirkung bei der Datenerhebung allein, die Bereitstellung von Finanzmitteln und Infrastruktur, mit deren Hilfe die Forschung durchgeführt wurde, kann eine Mitautorenschaft nicht begründen; Gleiches gilt für das bloße Korrekturlesen des Manuskripts ohne Mitgestaltung des Inhalts.

5. Die Beachtung der gemeinsamen Verantwortung von MitautorInnen für Publikationen unter Ausschluss der sog. Ehrenautorschaft, d.h. einer Autorschaft, die nicht im Einklang mit den Vorgaben des § 2 Abs. 1 Ziffer 4 steht.

6. Die Offenlegung möglicher Interessenskonflikte, z.B. bei Auswahlverfahren oder bei der Begutachtung von Forschungsprojekten und Publikationen.

7. Transparenz hinsichtlich der Finanzierung von Forschungsprojekten insbesondere durch die Nennung von Personen und/oder Institutionen, die die Projekte durch Geld-­ oder Sachzuwendungen unterstützt haben, oder durch den Hinweis auf ökonomische Interessen, die mit dem Forschungsprojekt verbunden sind.

(2) Auch wenn sich WissenschaftlerInnen, die an einer Forschungs­einrichtung in Österreich tätig sind, an internationalen Forschungsvorhaben beteiligen, müssen sie die in Österreich geltenden Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis beachten.

(1) Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn vorsätzlich, wissentlich oder grob fahrlässig gegen Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis (§ 2) verstoßen wird. Vor­sätzlich handelt, wer beim Forschen einen Verstoß gegen Standards Guter Wissen­schaftlicher Praxis für möglich hält und sich damit abfindet. Wissentlich handelt, wer den Verstoß gegen Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis nicht bloß für möglich, sondern für gewiss hält. Grob fahrlässig handelt, wer die nach dem konkreten Forschungskontext gebotene Sorgfalt auffallend stark außer Acht lässt und deshalb nicht erkennt, dass er/sie die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis in einem hohen Ausmaß verletzt; das ist etwa der Fall, wenn schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und das unbeachtet bleibt, was im gegebenen Fall eigentlich jeder/jedem hätte einleuchten müssen. Kein wissenschaftliches Fehlverhalten sind kriti­sche Äußerungen im wissenschaftlichen Diskurs („honest differences of opinions“) oder im guten Glauben erfolgte Irrtümer („honest errors“).

(2) Als wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne von Abs. 1 erster Satz sind insbeson­dere folgende Verhaltensweisen anzusehen:

1. Die Erfindung von Daten („fabrication“), z.B. die Erfindung von Forschungsresultaten (Messwerten, Beobachtungsdaten, Statistiken).

2. Die Fälschung von Daten („falsification“), z.B. durch die Manipulation des Forschungs­prozesses, die Abänderung oder das selektive Weglassen von Daten, die der Forschungsthese widersprechen oder die irreführende Interpretation von Daten mit dem Ziel, ein gewünschtes Ergebnis zu erhalten.

3. Das Plagiieren („plagiarism“, vgl. § 2 Abs. 1 Ziffer 2); ein Plagiat liegt vor, wenn Texte, Inhalte oder Ideen übernommen und als eigene ausgegeben werden. Dies um­ fasst insbesondere die Aneignung und Verwendung von Textpassagen, Theorien, Hypothesen, Erkenntnissen oder Daten durch direkte, paraphrasierte oder übersetzte Übernahme ohne entsprechende Kenntlichmachung und Zitierung der Quelle und der UrheberIn. Dazu gehört auch das Verwenden (einschließlich des Publizierens) fremder Forschungsideen oder Forschungskonzepte, über die ins­besondere in einem vertraulichen Zusammenhang (etwa im Rahmen eines peer­ review­ oder eines anderen Begutachtungsverfahrens) Kenntnis erlangt wurde.

4. Die unberechtigte Verweigerung des Zugangs zu Primär-­ und Originaldaten ( 2 Abs. 1 Ziffer 1) einschließlich der Informationen über ihre Gewinnung bzw. deren Beseitigung vor Ablauf der maßgeblichen Fristen (§ 2 Abs. 1 Ziffer 1).

5. Die Behinderung der Forschungstätigkeit anderer WissenschaftlerInnen sowie andere unlautere Versuche, das wissenschaftliche Ansehen einer/eines an­deren WissenschaftlerIn zu mindern; hierunter sind insbesondere anonym geäußerte unspezifische und unbegründete Vorwürfe von Verstößen gegen die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis zu verstehen.

6. Die Sabotage von Forschungstätigkeit, insbesondere das Beschädigen oder Zerstö­ren von Versuchsanordnungen, Geräten, Unterlagen, Hardware, Software, Chemikalien oder anderer Gegenstände, die ein/e andere/r WissenschaftlerIn zur Durchführung ihrer/seiner Forschungen benötigt.

7. Unrichtige Angaben in einem Förderantrag, die konkurrierende WissenschaftlerInnen benachteiligen können.

8. Die Benachteiligung beim beruflichen Fortkommen insbesondere von NachwuchswissenschaftlerInnen, die einen Hinweis auf mögliches wissen­schaftliches Fehlverhalten gegeben haben (Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber).

(1) Wissenschaftliches Fehlverhalten (§ 3 Abs. 1 erster Satz) kann auch die Mitwirkung an Verstößen anderer gegen Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis sein, z.B. die ak­tive Beteiligung am Fehlverhalten anderer, die Mitautorschaft an fälschungsbehafteten oder sonst unter Verstoß gegen die Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis zustande gekommener Veröffentlichungen oder die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht. Die Aufsichtspflicht (§1 Abs. 3) wird vernachlässigt, wenn unter Beachtung der Eigenverant­wortung der/des ForscherIn sowie des Vertrauensgrundsatzes (§ 1 Abs. 5) die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen unterlassen wurden.

(2) Das Einverständnis, als MitautorIn einer Publikation genannt zu werden, führt zur Mitverantwortung dafür, dass die Publikation den Standards Guter Wissenschaftlicher Praxis entspricht; § 3 Abs. 1 ist zu beachten. Werden einzelne Wissen­schaftlerInnen ohne ihr/sein Einverständnis in einer Veröffentlichung als MitautorIn genannt und sehen sie sich zu einer (nachträglichen) Genehmigung außerstande, ist von ihnen zu erwarten, dass sie sich gegen ihre/seine Nennung als MitautorIn gegenüber der/dem für die Publikation Hauptver­antwortlichen, der Redaktion der betreffenden Zeitschrift oder dem Verlag ausdrücklich verwahren und darauf hinwirken, dass die Publikation unter ihrem/seinem Namen unterbleibt.

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